4.3.4. Die Dachgiebelsparren (Windbretter) An den Dachgiebeln der Akha Häuser ragen zwei Bambuspfosten oder Holzbretter in V - Form in den Himmel. Abb. 13a: Dachgiebel des Headman, Ulo Akha, Saen Charoen, N-Thailand. Diese Dachgiebelsparren sind zwar in Südostasien weitverbreitet, nicht aber bei den Völkern in Nordthailand, die im gleichen Gebiet wie die Akha leben. Daher kann man dort ein Akha Dorf unter anderem gleich an den Giebelsparren erkennen. Bei den Akha ist es üblich, daß zwar jedes Haus überkreuzte Bambusstäbe als Giebelhörner trägt, aber elaboriertere Schnitzereien mit unterschiedlichen Motiven am First Häuser der Dorfpersönlichkeiten / Spezialisten vorbehalten sind. (siehe Abb. 13a-13o) Giebelsparren sind auch an allen Reisscheunen und einigen Feldhütten anzufinden. Im Gegensatz zu anderen Feldfrüchten wird schließlich dem Reis eine Seele zugesprochen. In Zentral- und SO-Asien ist generell das Büffelhörnermotiv das dominanteste. Im Shan-Staat, woher die Akha Nordthailands unmittelbar herkommen, konnte ich oft sichelförmige Holzbüffelhörner an den Dachfirsten der Akhapersönlichkeiten anfinden. Der einzige Grund, warum ein Akha Haus keine ausragenden Dachgiebel trägt, ist, daß in dieser Familie Zwillinge geboren wurden. Akha-zang betrachtet so ein Ereignis als Störung der bestehenden Ordnung. Unter allen Umständen muß die Welt der Menschen und des Dorfes von der der Geisterwesen und des Dschungels getrennt bleiben. Eine Einzelgeburt ist typisch für die Welt der Menschen, Vielfachgeburten stehen für die Welt der Tiere. Zwillinge einer Akhamutter, genauso wie das einzelne Junge einer Hündin oder einer Sau, gefährden diese Ordnung. Eine solche Tiermutter sowie ihr Junges werden geschlachtet und außerhalb des Hauses gegessen; sollte es innerhalb eines Jahres in einem Dorf zu mehr als drei solchen Vorfällen kommen, werden solche Tiere außerhalb des Dorfes verzehrt. Zwillinge oder mißgebildete Babies der Akha wurden in der Vergangenheit mit Herdasche erstickt (die Hani pflegten sie im Herdfeuer zu verbrennen, wobei das Feuer als reinigendes Element eingesetzt wurde), und die Eltern wurden für die Dauer eines Jahres zur Purifikation aus dem Dorf verbannt. Die Giebelhörner ihres Hauses schlug man ab, sie wurden ein Jahr später bei der Rückkehr des Paares durch Neue ersetzt. Um bestimmte Ämter, z.B. das des Pima und des Dzoema, zu übernehmen, war es notwendig, daß der Amtsinhaber "rein" ist, worunter verstanden wurde, daß seine Frau weder während der Hochzeit schwanger gewesen war, noch daß er Vater von Zwillingen oder eines behinderten Babys war. Ansonsten mußte er das Amt aufgeben. Diese Tradition, als auch die Tatsache, daß Reisscheunen mit ausragenden Giebeln versehen werden, bestärken die Vermutung, daß es eine Verbindung zwischen den Giebelhörnern und "ordentlicher" Fruchtbarkeit bzw. "Reinheit" gibt. 4.3.5. Ursprung der Giebelsparren In seiner Untersuchung des auskragenden Giebeldaches in Asien geht G. Domenig auf das Phenomen der Firstbekrönungen und der V - Giebel ein. Er geht davon aus, daß bereits archaische Baukörper von einer zweigegliederten Ästhetik geprägt waren, die ungegliederte Bauten (z.B. einen Kegelbau ohne Firstkrone) als unvollständig und mangelhaft hätte empfinden lassen. "Daß diese archaische Bauästhetik in neolithischen Zeiten bereits auch religiös bedingte Aspekte gehabt hat, darf angenommen werden, doch ob und wieweit schon Vorstellungen Form angenommen hatten, nach denen derartige duale Aufgliederungen z.B. kosmologisch interpretiert (Himmel-Erde-Symbolik) oder zu einem eigentlichen Götter- oder Ahnenkult in Beziehung gebracht werden konnten (oberer Dachteil als Göttersitz bzw. als Ahnenschrein), mag hier dahingestellt bleiben." (Domenig 1980:97) Eine Zeit lang herrschte in der evolutionistischen Anthropologie (zB Durkheim 1912) die Meinung vor, daß die Zahl Zwei das allererste Ordnungsprinzip in sämtlichen Kulturen darstellte, aus der sich als nächste Konsequenz die Bedeutung der Zahl Drei ergab, usw. Levi-Strauss ging in 'Les organisations dualiste existent-elles?Œ auf den Trend des (archaischen und modernen) Menschen, in Oppositionen zu denken, ein, und versuchte zu zeigen, daß das triadische System daneben existierte. Das dominate dualistische Strukturierungsprinzip, das sich quer durch die Akha Kultur zieht, unterstützt zwar die Theorie der dualistische Bauästhetik. Sakraler Mittelpunkt des Hauses ist aber nicht der Dachstuhl, sondern der Hauptpfosten. (siehe Kapitel Haus) Das schließt allerdings nicht aus, daß das in der Vergangenheit anders war. Domenig führt als Illustration seiner These an, wie frühe Baukonstruktionsmodelle ausgesehen haben könnten, die zur Erfindung des Kraggiebelbocks führten. (Abb. 16) Frappierend ist, daß die Konstruktionsweise, die Domenig beschreibt, exakt dem Verfahren entspricht, nachdem die Akha ihr kultisches Schaukelgerüst jährlich errichten. Daher möchte ich an dieser Stelle auf die Schaukelzeremonie der Akha eingehen, bevor ich die Analyse der V-Giebel weiterausführe.

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