3.4. Akha-zang und Genealogie

Akha-zang ist die Bezeichnung für das kompakte und höchst formalisierte traditionelle System, das die Akha Art zu leben vorschreibt. Akha-zang kann weder mit Religion noch mit Brauchtum gleichgesetzt werden, da es alle möglichen Lebensbereiche berücksichtigt und auch keine statische Lehre ist.

'Akha-zang' besitzt zweifelsohne die historisch-gesellschaftlich gewichtige Authorität etwa der jüdischen 'Torah' oder des christlichen Testaments, außer daß es nicht göttliche Offenbarungen verspricht, sondern die Weisheit, die ein Volk über 64 Generationen patriliniarer Nachfolge während des langen Weges von den tibetischen Grenzgebieten über China nach Burma, bis nach Thailand am Leben erhalten hat.Œ (Geusau 1983:249)

Akhazang beinhaltet all das, was Antropologen heute unter 'Kultur' verstehen: Es beschreibt, wann, wie und welcher Wald in ein Feld umgewandelt wird, wie Gemüse und Reis gepflanzt und geerntet wird, wie Dörfer gegründet und Häuser gebaut werden, wie Tiere gehalten und geschlachtet werden und wie man sie zerteilt, wie Kinder großgezogen werden und wie mit Nicht-Akhas umgegangen wird.

Es legt Relationen (zB Heirat, Handel, ...) zwischen den unterschiedlichen Kategorien und Gruppen der Akha fest, wie Familie, Clan, Subgruppe, und zwischen den Akha und menschlichen oder spirituellen Nicht-Akha.

Auch tägliches ordentliches Verhalten als Empfehlung enthalten, wann man am Morgen aufsteht, wie man den ersten Reis kocht, wie man eine Bambusteetasse jeweils während der beiden Jahreshälften hält, wo Frauen und wo Männer zum Jääten beginnen sollten, etc, mit einem Wort, es beinhaltet auch das ganze elaborierte System, das wir Ettiquette nennen - bloß daß es frei von Steifheit, Schuldgefühl und Verbeugungen ist, Dinge die wir in pyramidisch-hierarchische Gesellschaften gewohnt sind.

In den Beschreibungen von Akhazang ist es schwierig eine Unterscheidung zwischen sekulär und sakral zu treffen, oder zwischen rituellen und nicht-rituellen Verhalten zu differenzieren. Es gibt die Trennlinie zwischen Lebend und Tot, zwischen Mensch und Geist, aber selbst sie lebten einst alle zusammen und wurden erst getrennt, als sie begannen, voneinander zu stehlen. Ansonsten sind Mensch und Geist ein perfektes Spiegelbild voneinander. (3.2.)

Geister können am ehesten als unsichtbare, personalisierte Agenten bezeichnet werden, die tatsächliche ökonomische, politische, kosmische Kräfte repräsentieren. Geusau pflegt die 'unfreundlichen' Geister zur Veranschaulichung mit realen Gefahren wie Bakterien, Jagdunfall, Naturkathastrophen u.ä. zu vergleichen.

Eine andere Kategorie von Wesen sind die Neqs. Neqs sind allen vitalen Elementen /Objekten aus Kultur und Umwelt enthalten, und ihre Namen bezeichen üblicher Weise die Funktion dieser Elemente. Neqs sind weder Seele, noch Essenz oder Funktion dieser Elemente, sondern von allem ein bißchen und noch mehr. (vgl. Geusau 1983:251)

Neqs werden meist in Form von Päärchen vermenschlicht, die dann den Namen der Funktion tragen, die sie angesichts Haus, Wasser, Reis, Wild, Krankheit etc erfüllen. zB: die Hin-und-Her-Damen der Schaukel, das Auf-und-Ab-Päärchen des Weges, ...

Es gibt zwei Hauptkategorien von Neqs: Bedeutende Plätze oder Gegenstände haben ihre Art Patron / Schutzgeist, freundliche Kräfte so wie die Reisdame, das Wasserrohrpäärchen, der Jagdjüngling,... die die Innen-Neqs genannt werden.

Die Außen-Neqs subsimieren die störenden Kräfte, die immer wieder hereinbrechen und Prozesse der Produktion und Reproduktion stören.

Die Liste der Außen-Neqs enthält etwa eine Aufzählung medizinischer Symptomologie, der eine Liste traditioneller Kräutermedizin und psychosomatische Behandlungsmethoden gegenübersteht. Hier ist der Sprung vom Neq zum Bakteria etwa leicht nachzuvollziehen.

Von all den Kategorien an Außenkräften, die auf das Leben der Akha einwirken, verdienen noch die Yosang ('Manager', 'Besitzer') Erwähnung. Im Unterschied zu den Neqs, die die Auswirkung personifizieren, stehen sie für die potentielle, innewohnende Übermacht des Elements, die zu jeder Zeit den Gebrauch dessen (zB das Feld, den Wald,...) für sich zurückfordern kann, und so Produktionsvorgänge der Akha unterbricht. Die Yosang werden in Zeremonien nicht nur als respektierte, soondern den Menschen höherstehende Wesen adressiert.

Akhazang hat keine der Charakteristika von Ordnungsprinzipien typischer, hierarchisch strukturierter Klassensgesellschaften, wo Tendenz religiöser Erfahrung entweder auf einen monotheistischen Gott, Kreator und Causa Prima, oder auf ein zentrales Prinzip, wie etwa Karma, gerichtet ist.

Stattdessen existiert für Akha als 'Leitmotiv' die ungebrochene Linie der persönlichen Ahnen.

Die patriachalische Ahnenreihe zusammen mit den ihnen gewidmeten Darbringungen bilden das Rückgrat der Akha Weltanschauung.

Die Hauptzeremonien während des Jahres sind meist mit einem der 12 jährlichen Ahnenfeiern verbunden. Bei den Ahnenfeiern wird ein Festmahl abgehalten, bei dem auch die verstorbenen Vorfahren symbolisch teilnehmen. Die Vorfahren werden als Ursprung und Quelle von Leben und Lebensweisheit gesehen, die sie während der langen Migrationszeit angesammelt haben. In der oralen Literatur des Akha-zang wird oft mitüberliefert, warum eine neue Regel entstanden ist, welche Umstände Veränderungen mit sich brachten, die Adaption angebracht machten.
Alte Texte beschreiben auch Know-How, das die Akha von anderen Volksgruppen gelernt und übernommen haben, etwa daß sie diese Art Hausbau von den Bergkhmer lernten, oder Sticktechniken von den Bergshan, Tabakanbau von den Chinesen, Silberbearbeitung von den Shan, etc (3.3.)

Der mythologische Anteil solcher Texte wirkt selten verherrlichend oder vergöttlichend, und Geusau weist in diesem Kontext auf die alte Tradition des Egalitarismus bei den Akha hin.

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