Laos und die Angst vor dem Cyberspace

Manu Luksch   [03.98 Telepolis Journal]

Anschlussprobleme eines südostasiatischen Entwicklungslandes

Es ist nicht leicht in Laos, Netizen zu werden. In dem Land, in dem Elektrifizierung als nationales Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist, obwohl gleichzeitig Strom an den Nachbarn Thailand verkauft wird, und wo eine Analphabetenquote von 40 Prozent als optimistisch gelten darf, gibt es keinen kommerziellen Provider. So verschafften sich einige Geschäftsleute in der Hauptstadt Vientiane bei thailändischen Providern Internetzugang.

Eine Aussendung des Science and Technology Environmental National Office (STENO) der Regierung im August 1997 informierte darüber, daß Email-Accounts ausschließlich über STENO erhaltbar seien (Erstgebühr: $ 100). Alle anderen Wege, die ins Internet führen, seien illegal und könnten zur Konfiszierung des Modems und zu einer Geldstrafe führen. Außerdem ist nur der Gebrauch von Email zugelassen, nicht aber von anderen Diensten, wie WWW oder Newsgroups.

Die zuständige Behörde arbeitet mit Singapur zusammen, dem Stadtstaat, der mit dem effektiven Netzkontrollsystem seines 'effizienten Regimes' assoziiert wird. Jede Email wird täglich um 14 Uhr von STENO nach Singapur weitergeleitet, bei starkem Verkehr zusätzich um 17 Uhr. An manchen Tagen wiederum scheint die Weiterleitung der Emails laut Auskunft von Kunden vergessen zu werden. Von Singapur aus wird die Email schließlich in die Welt entlassen - nachdem sie bei den Zwischenstationen gelesen wurde, oder auch nicht. Wegen der auffälligen Unregelmäßigkeiten bei der Weiterleitung, spekulieren User, ob STENO manuell die Weiterleitung betreibt.

Ein amerikanischer Unternehmer, der in Vientiane Computer vertreibt (er möchte nicht namentlich genannt werden), erhofft sich das große Geschäft darin, die offizielle Webseite für Laos P.D.R. zu erstellen. Bei Vorgesprächen mit zuständigen Beamten erklärte sich, warum bis dato der Bevölkerung nur der Gebrauch von Email zugestanden wird. STENO vertritt die Ansicht, daß der Anschluß des Landes an das Internet aus wirtschaftsfördernden Gründen unumgänglich und sogar wünschenswert ist. Jedoch würden das Web und andere Netze viel mehr Information und Propaganda in das Land schleusen, als umgekehrt. Man ist daher noch unentschlossen, wie mit dieser Datenschwemme aus dem Ausland umgegangen werden soll.

Allerdings drängt sich die Frage auf, ob die Besorgnis um die Verfügbarkeit der Inhalte angebracht ist, angesichts der Tatsache, daß die laotische Netzgemeinschaft hauptsächlich aus NGO Mitarbeitern und Geschäftsleuten, vornehmlich aus Thailand, Frankreich und den USA, besteht.

Die Infrastruktur des Landes ist so mangelhaft, daß diejenigen, welche die Checkliste der Internetzutaten erfüllen können, zu einer minimalen Bevölkerungsgruppe gehören. Diese kann sich den Zugang zu Information auch jenseits der staatlich kontrollierten Quellen organisieren.

Das Szenario, daß ein Laote Netizen werden will, nehme ich daher in diesem Artikel zum Anlass, die allgemeine Situation im Land zu porträtiren, als daß 'going online' wirklich dringendster Wunsch jedes Einwohners wäre.

Dust & Rust

Sich Hard- und Software leisten zu können, ist eine Seite des Problems, sie funktionstüchtig zu erhalten, die andere.

Die Gegenden des tropischen Klimas zeichnen sich durch ein Übermaß an Regen während des Monsuns ebenso wie an Staub während der Trockenzeit aus.

Zumindest 85% der Bevölkerung wohnt in Bambus- oder Teakhäusern. Diese vernikulare Architektur hat sich den klimatischen und kulturellen Gegebenheiten in einem langen Entwicklungsprozess ideal angepasst. Sie beantwortet die Anforderungen der extremen Wetterbedingungen mit einer relativ durchlässig gehaltenen Bauweise.

Dadurch ist natürliche Akklimatisierung gewährleistet - aber auch staub- oder feuchtigkeitsgetränkter Luftdurchzug. Die Erzfeinde jedes elektronischen oder bechipten Gerätes fordern, wie ich bei mehreren NGOs erfuhr, ihren Tribut. Eine Marktlücke, der tropenfeste Computer?

Elektrizität und Telekommunikation

Hat man sich nun trotzdem Hard- und Software geleistet und im Haus stationiert, würde sich in 80% der Haushalte die Frage nach der Steckdose und in 95% die Frage nach dem Telefonanschluß stellen.

Die systematische Elektrifizierung des Landes hat erst begonnen. Vientiane genießt Stromversorgung von morgens bis 22 Uhr, am Land ist sie auf ein paar Abendstunden beschränkt. (Anm.: Elektrifizierung )

Dabei setzte Lao im Exportgeschäft schon längst auf den E-Faktor. 70% der Devisen stammen aus dem Elektrizitätsexport nach Thaiand. Seit Jahren ist ein weiteres gigantisches und kontroversielles Wasserkraftwerk geplant: 100% der vom projektierten Nam Thuen Damm gewonnenen Elektrizität sollte nach dem Willen der Regierung an den hungrigen Tiger-Nachbarn Thailand exportiert werden, und auf diese Weise der Kredit an die Investoren Weltbank und Asian Development Bank zurückgezahlt werden. Kritiker gaben zu bedenken, daß sich Laos mit diesem Konzept in noch größere Abhängigkeit von Thailand begeben würde.

Analphabetismus

Das größte Hindernis für Laoten potentielle Netizens zu werden, stellt wohl das Analphabetentum dar, das die Regierung optimistisch auf 40% einschätzt. Dunkelziffern, die in NGO-Kreisen herumgeistern, sind allerdings gewaltig höher. Das Installieren eines flächendeckenden Schulsystems stößt neben den Finanzproblemen auf eine Reihe weiterer besonderer Umstände. Die Hälfte der 4,7 Mio Bevölkerung spricht Laotisch als Muttersprache, der Rest gehört den 68 'ethnischen Minderheiten' des Landes an. Deren Kinder, falls sie tatsächlich Zugang zu einer Schule haben, um die 2 Pflichtjahre zu absolvieren, lernen die Schrift einer Sprache, von der sie kein Wort verstehen.

Englisch auf dem Siegeszug

Wirft der literate Laote nun einen Blick ins Netz, muß er/sie bald feststellen, daß Inhalte in laotischer Sprache Mangelware sind und die Schrift von Browsern nicht interpretiert wird. Die 'offizielle' laotische Webseite der Botschaft in Washington rettet sich darüber hinweg, indem sie gescannte Schrift im Bildformat einbaut.

Die offizielle Diplomatensprache ist Französisch, von Beamtentum und älterer High Society gepflegt. Doch Englisch als Zweitsprache ist auf dem Vormarsch. Der 20jährige Boun spiegelt treffend die Einstellung der Jugend mit höherer Schulausbildung wieder. Er studiert seit 3 Jahren in der Tempelschule Englisch und Computer Science. Sein Vater lernte Französisch, aber das sei eine veraltete Sprache und in der Vergangenheit wichtig gewesen.

Er nützt den gesicherten Lebensunterhalt und freien Schulzugang, den er als buddhistischer Mönch genießt, um noch ein paar Jahre zu studieren. Dann möchte er sein Mönchsdasein an den Nagel hängen und Touristenführer werden. Oder Lehrer. Oder Buchhalter. Jeden Samstag - seinem einzigen freien Tag in der Woche - begibt er sich zum Touristenmagnet Wat That Luong, um dort Ausländer ins Gespräch zu verwickeln und so Englischkonversation zu üben.

Englischkenntnise werden mit Aufbruchsstimmung, Wohlstand und Freiheit gleichgesetzt. Das Mißtrauen den USA gegenüber wird der älteren Generation überlassen.

Und die Weltbank belohnt es, indem sie Anfang dieses Jahres der Finanzierung neuer Straßenbauprogramme zustimmte. Doch Emails mit laotischer Landes-Domain .la werden noch länger Seltenheitswert besitzen.